Widerstand gegen NPD: „Wir brauchen keinen rechten Sumpf“

Viersen. Eine Stadt stellt sich quer – mehr als 1000 Menschen demonstrieren in Viersen und Dülken gegen 14 NPD-Mitglieder.
Von Anne Goch

Zwei „Kundgebungen“ im Bürgermeisterwahlkampf hatte die NPD für Samstag angekündigt – um 13 Uhr in Dülken, um 15.30 Uhr in Viersen. Nachdem das bekannt geworden war, hatten Menschen aus der gesamten Region zu Gegendemonstrationen aufgerufen. Die Polizei hatte bei der Genehmigung die Demonstrations-Orte räumlich ein wenig voneinander getrennt. So sollte in Dülken die NPD am Brunnen vor St. Cornelius stehen, während der Platz für die Gegendemonstranten am anderen Ende des Markts vorgesehen war.

Die ab 12.30 Uhr zahlreich auf den Markt strömenden Gegendemonstranten sind teilweise zunächst verwirrt, weil sie keine NPD-Anhänger erkannten. „Wo stehen denn hier die Guten?“ will eine junge Frau von einer Polizistin wissen. Die erklärt ihr freundlich, dass es für die Polizei nicht „die Guten“ und „die Schlechten“ gebe, sondern nur zwei Kundgebungen.

Die der NPD-Gegner beginnt auch pünktlich. „Wir brauchen keinen rechten Sumpf, schon gar nicht, wenn er vom ganzen Niederrhein zusammengekarrt wird“, ruft Bürgermeister Günter Thönnessen ins Megaphon. Er bedankt sich bei der Bevölkerung für den großen Zuspruch dazu, ein Zeichen gegen rechts zu setzen. „Vor allem freut mich, dass so viele junge Menschen den Weg hierher gefunden haben.“

Tatsächlich stehen Mitglieder der verschiedensten politischen Jugendorganisationen in der vordersten Reihe der etwa 350 bis 400 Menschen. Auch Mountainbiker erklären mit einem großen Banner ihre Solidarität. „Say it loud, say it clear, refugees are welcome here (sag‘ es laut, sag‘ es deutlich: Flüchtlinge sind hier willkommen)“, rufen die jungen Leute. Schließlich hat sich die Gegendemonstration bis zur Mitte des Marktes aufgebaut. Vor der Kirche steht eine Handvoll Menschen.

Ein junger Mann dreht sein T-Shirt, das er vorher auf Links getragen hatte, herum, und gibt sich als NPD-Anhänger zu erkennen. Ein anderer hatte sich vom Ende des Marktes her durch die Gegendemonstranten geschlängelt und bittet dann einen Polizisten um Hilfe, um zu „seiner Seite“ vor der Kirche zu kommen. Die NPD-Kundgebung habe noch nicht begonnen, lassen die Veranstalter die Polizei gegen 13.30 Uhr wissen. Ein paar Minuten später singen die Gegendemonstranten im Chor: „Ihr könnt nach Hause fahr’n“, die Glocken von St. Cornelius beginnen zu läuten. Was dann folgt, sieht aus wie eine Flucht.

Über Seitenstraßen entfernen sich die NPD-Anhänger. Es dauert ein paar Minuten, bis diese Nachricht zu den Gegendemonstranten durchgedrungen ist. Dann brandet Jubel auf, und auch die Gegendemonstration löst sich schnell auf. Denn die meisten hier wissen: Nach Hause gefahren ist die NPD bestimmt nicht, sondern nach Viersen, um dort möglicherweise eher mit der Kundgebung an der Ecke Lindenstraße/Hauptstraße zu beginnen.

Und tatsächlich hört man schon um vor halb drei vom Busbahnhof aus lautes Pfeifen und Geräusche aus einem Lautsprecher. Eigentlich sollten hier die beiden Demonstrationen räumlich noch weiter voneinander getrennt sein, die Gegendemonstranten sollten sich auf dem Sparkassenvorplatz versammeln. Rund 300 tun das auch. Noch einmal ebenso viele versammeln sich aber direkt an der Absperrung rund um die NPD-Kundgebung und beginnen zu rufen und zu pfeifen, sobald ein Redner zum Mikrofon greift. Einzelne Wortfetzen dringen dennoch durch.

Als ein Redner vom „deutschen Volk“ sprechen möchte, schallt ihm der Ruf der Montagsdemonstrationen „Wir sind das Volk, wir sind das Volk“ dreihundertfach entgegen. Auch die „bunten Menschen“, die zum Symbol Viersener Freundlichkeit geworden sind und in der Urlaubszeit von vielen Viersenern auch in andere Länder gebracht worden sind, werden in großen Gruppen hochgehalten – frei nach dem Motto der Demonstration: „Viersen bleibt bunt“.

Dass die NPD am Ende ihrer Kundgebung, auf der mehrere Redner für die Wahl des eigenen Bürgermeisterkandidaten warben, der zwar anwesend war, sich aber nicht äußerte, alle drei Strophen des „Deutschlandlieds“ über den Lautsprecher zu Gehör bringt, geht fast im Pfeifkonzert unter.

Und richtig laut wird der Jubel, als die NPD gegen 16 Uhr beginnt, Banner einzurollen und Lautsprecher abzubauen. Die Autos werden gepackt und rollen weg. Das bunte Viersen hat sich erfolgreich quergestellt.

Quelle: RP ONLINE